Gerade selbstbewusste Menschen verstehen nicht, warum sie plötzlich einen Mangel an Selbstbewusstsein spüren, sobald Sie Englisch sprechen. "Ich habe doch sonst keine Probleme, mich zu verständigen, und mein Englisch ist doch gar nicht so schlecht! Woher kommt diese Blockade?" ist ein typischer Gedanke von Betroffenen. Lesen Sie hier, warum es gerade die eloquenten, selbstsicheren Menschen treffen kann und was diese dagegen tun können:
Selbstbewusst in Deutsch, selbstunsicher in Englisch: Warum ist das so?
Der Grund hierfür liegt im psychologischen Phänomen, das auftritt, sobald ein Mensch eine Fremdsprache spricht: Die fremde Sprache katapultiert jeden Menschen emotional zurück in die Kindheit. Und zwar aus folgenden Gründen:
- Beim Sprechen einer Fremdsprache können wir uns nicht so gut ausdrücken (wie ein Kind)
- Wir verstehen in einer Fremdsprache nicht immer alles auf Anhieb (wie ein Kind)
- Wir können in einer Fremdsprache nicht immer alles so sagen, wie wir es meinen (wie ein Kind)
- Wir machen in einer Fremdsprache Fehler, ohne es zu merken (wie ein Kind)
- Andere können die Sprache besser als man selbst (wie damals als Kind)
- Man fühlt sich in einer Fremdsprache meistens ein bisschen unterlegen (wie damals als Kind)
Diese ganz normalen Begleiterscheinungen beim Sprechen einer Fremdsprache sind für die meisten Menschen etwas unangenehm, aber sie wurschteln sich irgendwie durch und akzeptieren die vorübergehende Verlegenheit und Unsicherheit - solange, bis sie durch vermehrtes Sprechen einfach automatisch besser in der Fremdsprache geworden sind.
Bei manchen Menschen lösen jedoch diese Kindheitsgefühle (Kleinsein, Dummsein, nicht verstehen, nicht ausdrücken können etc) eine innere Blockade aus, die dann dazu führt, dass sie gar nicht mehr sprechen können. Äußerlich zeigen diese Menschen Angstsymptome, weil sie unbewusst etwas vermeiden wollen, was sie in ihrer Kindheit oder Vergangenheit bereits erlebt haben. Das können unangenehme Schulerlebnisse sein, schwierige familiäre Bedingungen, familiäre Konflikte oder ungünstige Erziehungsmethoden der Eltern - in jedem Fall "triggert" das Sprechen der fremden Sprache die unbewusste Erinnerung an ein Gefühl, dass man nicht mehr erleben möchte. Weil das alles auf unbewusster Ebene abläuft, verstehen diese Menschen gar nicht, warum sie innerlich so blockieren. Das kann zu erheblichen Problemen führen, beispielsweise im Job, weil Englisch in den meisten Berufen wichtig ist und man es souverän sprechen muss, um karrieremäßig voranzukommen. Eine Fremdsprachenblockade muss somit im ersten Schritt akzeptiert und verstanden werden, damit die zugrunde liegende, unbewusste Dynamik dann aufgelöst werden kann.
"Wenn die Ursachen unbewusst sind, wie kann ich meine Englischangst dann überwinden?"
Der erste Schritt besteht immer darin, diese unbewussten Überzeugungen, die zu der Sprechangst führen, zu identifizieren. Das ist manchmal gar nicht so einfach. Unbewusst verankerte Glaubenssätze verstecken sich in unserem Inneren sehr gut, dadurch werden sie meist nicht direkt als Ursache für die Angst gesehen. Wie identifiziert man unbewusste Überzeugungen, die Sprechangst auslösen? Solche unbewussten Überzeugungen "entlarven" sich immer darin, wie jemand über etwas redet. Die kognitive Verhaltenstherapie macht sich dies zunutze, indem mit bestimmten Fragetechniken derartige Überzeugungen ans Tageslicht geholt werden. Ein Verhaltenstherapeut kann dadurch erkennen, welche tief verankerten Denkweisen, die oft aus der Kindheit stammen, den Betroffenen heute noch im Griff haben und sein Verhalten (Vermeidung der Fremdsprache) steuern. Es lohnt sich also, bei einer Sprechangst beim Englisch reden therapeutische Hilfe zu Rate zu ziehen.
"Wenn ich die Glaubenssätze gefunden habe, spreche ich dann selbstbewusst Englisch?"
In den meisten Fällen, Ja. Selbstbewusst Englisch zu sprechen, bedeutet sehr oft: Keine Angst vor Fehlern zu haben. Und die Angst vor Fehlern ist eine sehr typische Angst und es ist, psychologisch gesehen, eine "Kinderangst". Das bedeutet, dass Kinder sehr oft Angst davor haben, nicht gut genug zu sein (z.B. für die Eltern) oder nicht das richtige zu tun, um die Eltern zufrieden zu stellen. Ein ähnliches Gefühl (das "Richtige" tun wollen) kann sich dann beim Sprechen einer Fremdsprache einstellen, indem man sich verzweifelt bemüht, die Sprache korrekt zu sprechen. Und das führt bei Erwachsenen unweigerlich zu Angst und Blockaden, denn Sie sind ja nicht in der Schule und Sie müssen neben der an sich selbst gestellten Forderung, perfektes Englisch zu sprechen, außerdem noch viele andere wichtige Dinge bewerkstelligen: Eventuell müssen Sie eine Verkaufsverhandlung leiten oder Sie müssen einen Workshop moderieren. Oder Sie führen ein Vorstellungsgespräch mit einem Kandidaten und müssen auch noch zwischenmenschliche Dinge im Auge behalten. Zusammengefasst ist es so, dass der Anspruch, perfekt Englisch sprechen zu können, erwachsene Menschen meist überfordert, denn der Kontext ist oft ein forderndes Berufsleben. Aber auch im privaten Rahmen sind Erwachsene von diesem Perfektionsanspruch sehr oft überfordert: Stellen Sie sich vor, Sie gehen auf eine private Veranstaltung, bei der Englisch geredet wird und vielleicht kennen Sie dort einige Menschen schon. Mit Sicherheit werden Sie aber auch auf neue Menschen treffen und solche sozialen Situationen sind für Erwachsene sehr oft mit Stress verbunden. Man macht sich Gedanken: Wie wirke ich? Mögen die anderen Menschen mich? Verhalte ich mich richtig? - Wenn dann noch der Anspruch besteht, fehlerfreies Englisch zu sprechen, ist man sofort komplett überfordert und dann setzt die Blockade ein. Um in solchen Situationen selbstsicherer zu werden, muss also die Ursache für den Perfektionismus gefunden werden. Und die Ursache für Perfektionismus liegt meist in Glaubenssätzen, die man sich als Kind unbewusst angeeignet hat. Diese Glaubenssätze steuern einen dann als Erwachsener, wie ein Programm, bis man sie bewusst anschauen und dann transformieren kann.
Glaubenssätze rund um Englisch Sprechangst müssen nicht nur gefunden, sondern auch transformiert werden:
Ein sehr wichtiger Schritt bei der Überwindung von Englisch Sprechangst ist die Transformation negativer Glaubenssätze aus der Kindheit. Wie funktioniert diese Transformation? Glaubenssätze, die identifiziert worden sind, sind durch die Identifizierung bereits aus der Versenkung des Unbewussten "nach oben geholt worden", sprich: Sie sind ins Bewusstsein geholt worden, denn man kann sie sich ja nun ganz bewusst anschauen. Dieses bewusste Anschauen bedeutet zum Beispiel auch, dass man diese alten Überzeugungen infrage stellt. Man kann sie aus allen Richtungen betrachten und quasi "zerlegen", so dass sie ihre Macht verlieren. Dabei hilft dann beispielweise auch ein Verhaltenstherapeut. Indem Überzeugungen bewusst werden, können sie nun auch durch bessere, positive, selbstunterstützende Überzeugungen ersetzt werden. Diese Ersetzung ist die Transformation, es ist im Grunde ein Überschreiben des alten Denkprogramms. Für das Finden neuer, positiver Glaubenssätze und das dann folgende Ersetzen der alten, negativen Glaubenssätze bietet die kognitive Verhaltenstherapie eine Reihe von unterstützenden Techniken und Methoden an. In der Regel benötigt man für die Überwindung einer Fremdsprachenangst nur wenige Termine. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: Therapie bei Englisch Sprechangst.
"Ist die Transformation alter Glaubenssätze dauerhaft oder kann man einen Rückfall erleiden?"
Meiner Erfahrung nach ist die Transformation dauerhaft. In wenigen Fällen habe ich es erlebt, dass Klienten rückfallartige Symptome erlitten haben, diese ließen sich dann jedoch durch einen weiteren Termin restlos beseitigen. Der Grund, warum es normalerweise keine Rückfälle gibt, ist, dass Betroffene tatsächlich nicht mehr an die alten Glaubenssätze glauben. Es ist somit sehr wichtig, dass die negativen Glaubenssätze auch wirklich in einem neuen Licht der (erwachsenen) Wahrheit betrachtet werden können. Hierfür ein Beispiel:
- Nehmen wir einmal an, ein Mensch glaubt unbewusst, dass seine Sicherheit (z.B. im Job) davon abhängt, dass er gute Leistung bringt.
- Man könnte nun sagen: "Ja, das stimmt ja auch. Man muss im Job gute Leistung bringen, sonst verliert man seinen Job."
- Nun wendet dieser Mensch aber seine Überzeugung auch auf Englisch an und bildet folgenden Glaubenssatz: "Ich darf keine Fehler im Englischen machen, sonst bin ich nicht sicher, ob ich meinen Job behalte."
Diese Überzeugung muss nun aus Erwachsenen-Perspektive betrachtet werden: Es stimmt nicht, dass man seinen Job verlieren wird, wenn man Englischfehler macht oder beim Englisch sprechen unsicher wirkt. Spüren Sie, wie sich in Ihnen beim Lesen dieser Sätze Widerstand regt? Dieser Widerstand ist die Vergangenheit, zum Beispiel die Kindheit oder die Schulzeit, in der man gelernt hat, dass man fehlerfrei sein muss, um geliebt, akzeptiert oder sicher zu sein. Und diese Überzeugung gilt für einen Erwachsenen einfach nicht mehr, denn kein Erwachsener braucht perfektes Englisch, um ein Gefühl von Sicherheit in sich zu kultivieren. Natürlich kann es sein, dass in Extremfällen ein Jobverlust droht, wenn das Englisch nicht sicher genug ist - aber das sind Ausnahmen. Es geht somit bei der Überwindung von Englisch Sprechangst darum, die eigene Situation nicht mehr wie ein Kind zu betrachten.
Über mich:
Ich bin Natalie Marby und ich arbeite (auch online) therapeutisch mit Menschen, die starke Angst vor dem Englisch reden haben und diese Angst dauerhaft überwinden wollen. Hier erfahren Sie mehr: Ursachen von Fremdspracheangst
Blog:
Ich schreibe regelmäßig über das Thema Englischangst/Englischphobie, hier finden Sie viele informative Artikel und Tipps: Blog "Angst vor dem Englisch reden"
Podcast:
Erfahren Sie mehr über das Thema Englisch Sprechangst und wie man diese überwinden kann: Podcast "Englisch frei sprechen" von Natalie Marby
Kontakt:
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