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Nervensystem beim Englisch sprechen beruhigen: So geht's

Menschen, die unter Englischangst bzw. einer Fremdsprachenphobie leiden, spüren beim Englisch sprechen eine erhöhte Alarmbereitschaft und starken emotionalen Stress. Wie geht man damit um, wenn man dennoch eine englische Präsentation vor vielen Menschen halten und dabei souverän und locker wirken will?

Die "klassischen" Tipps zur Beruhigung des Nervensystems helfen nur bedingt:

Klassische Tipps beinhalten meist die folgenden Empfehlungen:

  • Tiefes Atmen, zum Beispiel in den Bauch hinein
  • Achtsamkeitsübungen wie Meditation, Körperscannen, Yoga
  • Entspannungsübungen
  • positive Affirmationen

Diese Tipps können kurzzeitig helfen, führen aber meiner Erfahrung nach nicht zu einer wirklichen Reduktion des Stresses, der verantwortlich für die Alarmbereitschaft des Nervensystems ist. Aus meiner Sicht hilft vor allem der folgende Tipp:

Das Nervensystem muss das Signal bekommen: "Es gibt keine Gefahr"

Das ist meiner Erfahrung nach der einzige Weg, um ein überaktives Nervensystem zu beruhigen und dadurch wieder einen klaren Kopf zu bekommen, der wiederum zum entspannten Englisch reden führt. Wie signalisiert man also dem Nervensystem, dass es keine Gefahr gibt? Hier mein Rat zur praktischen Vorgehensweise:

 

Fragen Sie sich zunächst: Was ist die vermeintliche Gefahr?

Sie werden feststellen, dass diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten ist. Nach einiger Zeit werden Ihnen vielleicht eine dieser Antworten einfallen:

  • "Ich könnte mich blamieren"
  • "Ich könnte steckenbleiben"
  • "Mir fällt vielleicht nichts ein"
  • "Die anderen werden denken, dass ich kein Englisch kann"
  • "Ich verliere womöglich mein Ansehen"

Nehmen wir einmal die erste Befürchtung: "Ich werde mich blamieren": Sie müssen zunächst einmal verstehen, dass dies keine wirkliche Gefahr ist. Und Sie müssen tiefer in sich gehen und nachforschen: Was ist die Gefahr, die droht, wenn Sie sich "blamieren"? Was bedeutet überhaupt "blamieren"? Wie würden Sie einem fünfjährigen Kind erklären, was es heißt, sich zu blamieren? Oft wissen wir gar nicht, was wir damit meinen. Meist steckt dahinter die kindliche Angst, dumm oder ungebildet oder inkompetent (nicht gut genug) zu erscheinen. Und immer geht es darum, dass wir kontrollieren wollen, wie andere (die Aussenwelt) uns sehen. Aus psychologischer Sicht handelt es sich hierbei um alte, kindliche Ängste, die unbewusst noch in vielen Menschen schlummern und die in solchen Situationen getriggert werden können. Im Kern geht es bei der Angst, sich zu blamieren, um ein mangelndes Selbstbewusstsein und um eine nicht vorhandene Fähigkeit, sich selbst in Stress-Situationen zu unterstützen. Die meisten Menschen, die Angst vor Blamage haben, wurden als Kind nicht bedingungslos geliebt, das heisst, die Liebe war an eine Bedingung geknüpft (z.B.: "Du wirst geliebt, wenn du brav bist, funktionierst, Leistung bringst" etc.)

 

Das Nervensystem wird aktiviert, weil unbewusst die Gefahr droht, dass andere uns ablehnen könnten

Sobald Sie verstanden und verinnerlicht haben, dass die Angst vor Ablehnung eine kindliche Angst ist, können Sie zum nächsten Schritt übergehen und sich fragen, ob diese Einschätzung überhaupt stimmt: Nur, weil Sie vielleicht beim Englisch reden stocken, nicht weiter wissen oder einen kompletten Blackout erleben, müssen Sie noch lange nicht als "dumm" gelten. Der erwachsene Teil in Ihnen weiß das auch. Aber was Ihr Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzt, ist eine Erinnerung an einen früheren Schmerz (an den Sie sich vielleicht bewusst gar nicht erinnern, der aber trotzdem in Ihnen noch auf unbewusster Ebene aktiv ist) und diesen Schmerz möchten Sie nicht noch einmal erleben. Dies ist verständlich, jedoch operieren Sie hier auf einer unbewussten kindlichen Ebene, denn es gibt keine reale Gefahr: Nur wer Englisch redet, wird sein Englisch verbessern. Englisch zu sprechen stellt also keine Gefahr dar, sondern nur eine temporär unangenehme Situation, die bald vergessen sein könnte, wenn man einfach redet, dazu lernt und sich kontinuierlich den englischen Herausforderungen stellt. Menschen mit einer Englischangst können solche (erwachsenen) Gedanken jedoch nicht denken, weil sie auf einem Kinderprogramm (einer gedanklichen Gewohnheit aus der Vergangenheit) laufen und sich dessen nicht wirklich bewusst sind. Wenn eine Gedankengewohnheit nicht bewusst ist, lässt sie sich nicht oder nur sehr mühsam verändern. Feste Glaubenssätze sind dann die Form, in der sich solche Gedankengewohnheiten zeigen, zum Beispiel der Glaubenssatz: "Ich werde mich blamieren, wenn ich Englisch rede".

Wie wird man den kindlichen Glauben an eine Gefahr beim Englisch reden los?

Dieser  Vorgang ist im Alleingang schwierig und es hilft enorm, wenn man dies zum Beispiel mit Hilfe eines Therapeuten bearbeitet. Dennoch kann man hier auch selbst etwas tun: Die eigenen Gedanken rund um das Thema "Englisch reden" müssen genau unter die Lupe genommen und hinterfragt werden. Hierfür empfehle ich folgende praktische Vorgehensweise:

  1. Notieren Sie alle Gedanken, die Sie zu Ihrer Englischproblematik haben, in ein Heft.
  2. Schreiben Sie genau auf, was Ihre Gedanken sind, also zum Beispiel: "Ich habe Angst, stecken zu bleiben".
  3. Fragen Sie sich dann bei jedem Gedanken, ob es sich um einen Kindergedanken oder einen erwachsenen Gedanken handelt: Kindergedanken erkennt man daran, dass diese immer von einer Position der Hilflosigkeit und Abhängigkeit her kommen und eine Überlebensstrategie darstellen.
  4. Kindergedanken müssen umgeschrieben werden, damit ein freies Sprechen der Fremdsprache möglich wird: Das Umschreiben erfolgt dann, wenn dem Kindergedanken ein entsprechender erwachsener Gedanke entgegengesetzt wird und der erwachsene Gedanke dann immer und immer wieder wiederholt wird, bis er sich "wahr" anfühlt - dann ist man gedanklich in der Erwachsenenwelt angekommen und die Angst wird dadurch dann weniger, weil es dann keine Gefahr mehr gibt.
  5. Oft ist es sehr schwer, die eigenen Kindergedanken aus der Vergangenheit zu identifizieren, man benötigt hierbei in der Regel professionelle therapeutische Hilfe. Der Grund hierfür ist, dass das eigene Denken sich nur schwer durch das eigene Denken ändern lassen wird (Das Programm kann sich nicht selbst ändern) - es erfordert meist eine Perspektive von außen, damit ein Perspektivwechsel stattfinden kann.

Kann man das Nervensystem beim Englisch reden auch kurzfristig so beruhigen, dass man nur die anstehende Präsentation übersteht?

Ja, meiner Erfahrung nach gibt es auch hierfür praktische Vorgehensweisen. Eine Technik, die ich empfehle, ist, sich selbst positiv zuzureden - so, wie man einem guten Freund auch vor einer wichtigen Präsentation zureden würde, wenn dieser nervös ist. Was jedoch die meisten Menschen tun, ist sich selbst noch mehr Angst zu machen, indem worst-case Szenarien im Kopf kreiert werden und dann ein Sturm an Selbstkritik herunterhagelt: "Du schaffst das nicht, du wirst versagen, du bist einfach nicht gut genug, du bist zu faul zum Englisch lernen etc". Wenn Sie sich hier wiedererkennen, dann üben Sie doch einmal, folgende Sätze zu sich selbst zu sagen, bevor Sie in die Präsentation gehen:

  • "Du schaffst das"
  • "Du gibst immer dein Bestes und das wirst du auch diesmal tun"
  • "Ich bin jetzt schon stolz auf mich, weil ich mich dieser Herausforderung stelle"

Wenn es Ihnen schwer fällt, sich solche Sätze zu sagen, dann empfehle ich Ihnen (als kurzfristige "Notlösung"), die Sätze so lange (am besten laut) zu sagen, bis Sie nicht mehr diesen Widerstand dagegen fühlen. Oft akzeptiert das Gehirn nur solche Botschaften, die es kennt - und Selbstsupport ist bei Menschen, die unter Englischangst leiden, etwas Fremdes: Das Gehirn kennt in diesem Fall nur Selbstangriff und der Selbstangriff wird als etwas Vertrautes wahrgenommen und deshalb sind selbstangreifende Sätze leicht zu sagen und das Gehirn akzeptiert diese fraglos. Sätze wie "Ich bin jetzt schon stolz auf mich" werden zunächst vom Gehirn abgelehnt - da fremd. Durch Wiederholung können Sie das Gehirn jedoch austricksen, damit es diese neue Botschaft annimmt und sogar dauerhaft verankert.

Vom "Kinderprogramm" zum "Erwachsenenprogramm": So werden Sie Ihre Fremdsprachenblockade los:

Das "Kinderprogramm" diktiert ein bestimmtes Verhalten, weil es eine Gefahr wittert: Meist sind dies Gefahren aus der Vergangenheit, als man ein Kind war und auf die Außenwelt extrem angewiesen war. Beispiele für die Gefahren, die ein Kind wittert, sind: Liebesverlust, Ablehnung, Ausgrenzung, alleine sein, Verlust von Aufmerksamkeit etc. Diese Gefahren sollten aus der erwachsenen Perspektive nicht mehr existieren, bzw. nicht mehr solche Angst machen, denn die oben genannten Gefahren sind für einen Erwachsenen keine Gefahr. Sie sind ungangenehm, ja - aber keine wirkliche Gefahr mehr. Nehmen wir einmal das Beispiel "Ausgrenzung": Viele Menschen fürchten, dass sie, wenn sie Englisch reden, aufgrund ihres schlechten Englisch "nicht dazu gehören" und fürchten dann Ausgrenzung, zum Beispiel aus dem Kollegenkreis. Das ist jedoch keine Gefahr, denn wenn ein Mensch tatsächlich aus dem Kollegenkreis ausgegrenzt wird, weil sein Englisch nicht gut genug ist, dann handelt es sich entweder um eine berufliche Anforderung, der man einfach nicht entsprechen kann, oder es handelt sich um Mobbing, dem man ausgesetzt ist. In beiden Fällen kann man damit erwachsen umgehen und sich Lösungen oder Vorgehensweisen suchen, die die Situation verändern oder verbessern. Auf gar keinen Fall sollte ein erwachsener Mensch aber extreme Angst verspüren, denn dann fühlt man sich wie ein Kind: hilflos und der Situation ausgeliefert. Nicht immer lässt sich eine Situation sofort verändern, aber ein erwachsener Mensch kann sich immer selbst zur Seite stehen, wenn die Welt einen auszugrenzen scheint.

In Bezug auf Englisch ist es wichtig, zu erkennen, dass eine Fremdsprachenangst eine kindliche Angst ist und die Lösung liegt immer darin, die Perspektive auf die Situation zu verändern: Welche Gefahr droht vermeintlich und handelt es sich wirklich um eine echte Gefahr? Wenn man lernt, sich selbst zur Seite zu stehen und wertschätzend mit sich selbst zu sprechen, dann muss man keine Angst vor Ablehnung, Ausgrenzung oder Ähnlichem haben. Denn emotional verletzen kann man nur sich selbst - es mag zwar so aussehen, als ob andere Menschen uns emotional verletzen können, aber die tatsächliche Verletzung findet immer in einem selbst, durch einen gedanklichen Selbstangriff statt. Und diesen gedanklichen Selbstangriff gilt es, beim Englisch sprechen zu transformieren, indem man den Angriff zunächst identifiziert und sich dann entscheidet, dass man eine bessere Selbstbehandlung verdient hat. Aus dieser veränderten Selbstbehandlung folgt dann meist eine entspanntere Haltung zum Englisch reden, weil man dann die Reaktion der anderen nicht mehr so fürchtet. Dann kann man mit einer Situation, in der man vermeintlich abgelehnt wird, gelassen und dadurch erwachsen umgehen.

Spüren Sie Angst beim Englisch reden?

Ich biete eine spezielle Therapie gegen die Angst vor dem Englisch sprechen an, hier erfahren Sie mehr: Therapie gegen Englisch Sprechangst

Über mich:

Ich bin Natalie Marby (hier erfahren Sie mehr über mich) und ich arbeite (auch online) therapeutisch mit Menschen, die starke Angst vor dem Englisch reden haben. Woher diese Angst vor dem Englisch sprechen kommt, erfahren Sie hier: Ursachen von Englisch Sprechangst

Blog:

Weitere hilfreiche Artikel und Tipps rund um das Thema Fremdsprachenangst finden Sie hier: Blog zum Thema Angst vor dem Englisch reden

Podcast:

Erfahren Sie mehr über das Thema Englisch Sprechangst und wie man diese überwinden kann: Spotify Podcast "Englisch frei sprechen" von Natalie Marby

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