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Fremdsprachenphobie: Wie überwinde ich dieses Unbehagen beim Englisch reden?

Mit einem leichten Unbehagen fängt es bei den meisten Menschen an: Man schämt sich, man windet sich, man möchte sich am liebsten verstecken, sobald man öffentlich Englisch reden soll. Man fragt sich: Wieso ist das so schwierig für mich, alle anderen können das doch ohne Probleme? Eine Fremdsprache zu sprechen ist immer eine Herausforderung, aber für manche Menschen ist eine seelische Qual. In solchen Fällen liegt vermutlich eine spezifische Phobie vor, die man therapeutisch sehr gut behandeln kann.

Eine Fremdsprachenphobie ist meist eine soziale Phobie

Die meisten Menschen, die an einer Fremdsprachenphobie leiden, also an einer unerklärbaren Angst vor dem Sprechen einer fremden Sprache, haben dabei soziale Ängste: Sie fürchten, negativ bewertet zu werden, ausgeschlossen zu werden oder vielleicht sogar abgelehnt. Meist handelt es sich um eine soziale Situation, z.B. im Beruf, wo man vor den Kollegen oder vor dem Chef Englisch sprechen muss. Oder es handelt sich um Situationen im Freundeskreis oder in der Familie, in denen man das Gefühl hat, sich in der fremden Sprache behaupten ("beweisen") zu müssen, da man das Gefühl hat, "alle anderen können das ja". Menschen, die an einer Fremdsprachenphobie leiden, sind meist generell keine Sozialphobiker, sondern sind oft in ihrer Muttersprache sehr offen und haben im Deutschen keine Probleme mit sozialen Situationen. Die Phobie zeigt sich nur beim Sprechen einer Fremdsprache, wie zum Beispiel Englisch: Da werden diese Menschen dann plötzlich sehr schüchtern, verschämt und vermeiden Situationen, in denen sie die englische Sprache sprechen müssen. Das kann negative Konsequenzen im Beruf nach sich ziehen und schädigt langfristig das Selbstbewusstsein.

Studien zeigen: Psychotherapie wirkt bei Phobien

Eine Fremdsprachenphobie lässt sich sehr gut mit kognitiv-verhaltenstherapeutischen Methoden behandeln. Dabei sind oft nur wenige Termine erforderlich, um dauerhaft die Angst vor der Fremdsprache zu überwinden. Trotzdem leiden viele Betroffene oft mehrere Jahre still vor sich hin, bevor sie sich Hilfe suchen. Das Unbehagen, das sich dann beim Englisch sprechen zeigt, wird oft von Meeting zu Meeting stärker, bis Betroffene sich nur noch krankschreiben können, weil sie es vor lauter Angst nicht mehr schaffen, zur Arbeit zu gehen. Lassen Sie es nicht so weit kommen, eine Fremdsprachenangst ist zwar nach wie vor vom Begriff her eher unbekannt, aber extrem weit verbreitet, vor allem in Deutschland. Eine Psychotherapie kann deshalb helfen, weil in der Therapie die unbewussten Ängste und Befürchtungen erforscht werden können, die zur Vermeidung der Fremdsprache führen. Solange die unbewussten Motive nicht erkannt werden, wird man von der Angst kontrolliert und kann sie nicht überwinden.

Wie findet man die unbewussten Motive für eine Fremdsprachenangst?

In der Therapie wird zunächst geschaut, wie der Betroffene in seiner aktuellen Lebenssituation mit der Fremdsprache umgeht: Wie nutzt er sie? Wofür nutzt er sie? Wie wichtig ist die Fremdsprache für den beruflichen oder sozialen Erfolg? Dann wird geschaut, in welchem sozialen Kontext sich der Betroffenen beim Englisch sprechen bewegt: Wer sind die Menschen, die sich mit ihm in diesen englischen Situationen bewegen? Und welche hierarchischen Strukturen oder Machtgefüge treten hier zutage? Vor einem Menschen, der mir jederzeit den Job nehmen könnte, werde ich vermutlich eher ungern eine Fremdsprache sprechen, wenn ich diese noch nicht so gut beherrsche. Menschen, die mir nicht gefährlich werden können, erzeugen dann wahrscheinlich keine großen Ängste und man wird freier Englisch sprechen können. Sehr oft passiert folgendes: Menschen geraten zum Beispiel im Beruf unbewusst in Situationen, die ihrer Kindheit ähneln. Das ist ein sehr weit verbreitetes Phänomen, aber für Betroffene im ersten Moment gar nicht so ersichtlich. Hier hilft die Therapie, diese unbewusst bekannten Muster zu identifizieren und gleichzeitig zu erkennen, dass man bisher nach einem Überlebensprogramm aus der Kindheit agiert hat, um die soziale Situation zu meistern.

Wie Schatten der Kindheit das Englisch sprechen erschweren können:

Ein Beispiel dafür, wie problematische Kindheitserfahrungen das spätere Sprechen einer Fremdsprache erschweren können, ist folgendes: Nehmen wir einmal an, ein Kind wächst in einer Familie auf, in der es ein Elternteil gab, das sehr viel gearbeitet hat und oft nur abends und nur ganz kurz Zeit für die Kinder hatte. Beim Abendessen sitzt dann die ganze Familie zusammen und alle Kinder "buhlen" um die Aufmerksamkeit dieses Elternteils, das ja wenig Zeit hat. Für die Kinder ist die Aufmerksamkeit dieses Elternteils ganz besonders wertvoll, weil es so rar ist. Die Kinder werden sich also bemühen, aufzufallen. Kinder suchen sich dazu vereschiedene Strategien, manche versuchen es durch Leistung (brav sein, klug erscheinen, dem Elternteil gefallen wollen), andere versuchen, sich negative Aufmerksamkeit zu erkämpfen, zum Beispiel, indem sie Blödsinn machen. Jedes Kind wird versuchen, irgendwie an diese kostbare Aufmerksamkeit ranzukommen. Und sehr oft passiert dies über Sprache: Das Kind, das schon am besten spricht (also meist das älteste Kind) bekommt oft in solchen Situationen die meiste Aufmerksamkeit. Und ein Kind, das sprachlich hinterher hinkt, wird das Nachsehen haben.

Später, als Erwachsener, wird ein solches Kind sich ungern in Situationen begeben, in denen es sprachlich unterlegen ist. Und das Sprechen einer Fremdsprache ist eine solche Situation. Man wird also Englisch vermeiden, um unbewusst diesen alten Schmerz des Verlustst der Aufmerksamkeit nicht noch einmal zu erleben.

Das klingt verrückt? Alte Kinderängste schlummern in jedem Menschen und können schnell getriggert werden:

Was viele Menschen nicht wissen, ist. dass die alten Ängste aus der Kindheit nicht einfach "weggehen", sie bleiben unbewusst verstaut in der Seele hängen und können jederzeit im Erwachsenenleben aktiviert ("getriggert") werden, und zwar so lange, bis sie aufgelöst bzw. transformiert werden. Diese Transformation alter Ängste ist es, was die Psychotherapie leisten kann. In Eigenregie ist es oft sehr schwer, diese alten Kinderängste zu überwinden, weil sie im ersten Schritt gar nicht korrekt identifiziert werden können. Wenn ich zum Beispiel während der Therapie einen Klienten frage: "Was glauben Sie, ist der Satz "Ich könnte abgelehnt werden, wenn ich beim Englisch sprechen Fehler mache" ein Kindersatz oder ein Erwachsenensatz?", dann fällt es den meisten Menschen sehr schwer, diese Frage zu beantworten. Es handelt sich um einen Kindersatz, also einen Satz, den ein Kind normalerweise sagen oder denken würde, denn als Erwachsener kann uns niemand mehr ablehnen. Das Gefühl, abgelehnt zu werden, ist immer eine Entscheidung, die man als Erwachsener selbst trifft. Natürlich kann ein Mensch direkt zu einem sagen "ich lehne dich ab", aber im Berufsleben passiert das ja üblicherweise nicht. Es handelt sich meist um Interpretationen, die Betroffene vornehmen: Sie glauben, dass sie abgelehnt werden könnten, wenn sie Fehler beim Englisch sprechen machen - und das ist ein Kindergedanke bzw. ein Kinderglaube.

Als Erwachsener kann man - psychologisch gesehen - nicht abgelehnt werden

Ein wichtiger Schritt in der Therapie ist es, zu erkennen, dass niemand Sie ablehnen kann, nur weil Sie Fehler beim Englisch sprechen machen. Ich möchte dies anhand eines Beispiels verdeutlichen: Nehmen wir einmal an, Sie befinden sich in einem englischen Meeting und jemand fordert Sie auf, etwas zu sagen. Und Sie kommen ins Straucheln und Sie spüren die Blicke der Kollegen. Sie stammeln und suchen nach Worten und das, was Sie sagen, klingt für Sie falsch und nicht souverän. In den meisten Fällen wird das keine negativen Konsequenzen haben. Die negativen Konsequenzen finden nur in Ihrem Kopf statt: Sie werden sich runtermachen, angreifen, kritisieren. Sie werden enttäuscht von sich selbst sein und sich Vorwürfe machen. Diese Selbstangriffe sind jedoch unnötig. Es kann sein, dass Ihre Kollegen sich vielleicht denken "Du meine Güte, der oder die kann ja gar kein Englisch!" - Sie können die Gedanken anderer nicht kontrollieren und deshalb ist es am besten, sich auch keine Gedanken darüber zu machen, was andere denken. Wenn Ihnen unwohl ist, weil Sie darüber nachdenken, was andere über Sie denken, dann greifen Sie sich gerade selbst an. Denn das Unbehagen, das Sie spüren, wird von niemanden in der Außenwelt verursacht, sondern einzig und allein, von dem, was Sie denken - aus diesem Grund handelt es sich um einen psychologischen Selbstangriff.

Englischangst ist ein psychologischer Selbstangriff

Der Angriff auf sich selbst passiert genau dann, wenn man eigentlich HIlfe bräuchte: In Situationen, in denen man sich verletzlich und hilflos fühlt, wenn man nach englischen Worten sucht und verzweifelt ist, weil die Worte nicht kommen. In einer solchen inneren Notlage schaffen es die meisten Menschen nicht, sich zur Seite zu stehen und sich zum Beispiel zu sagen: "Alles nicht so schlimm. Ich schaffe das schon, ich gebe mein Bestes". Was sie üblicherweise zu sich selbst sagen, ist "Wie peinlich. Ich bin ein Versager. Bestimmt verliere ich jetzt meinen Job". Solche selbstkritischen Sätze führen zu einer Verstärkung der Angst und manchmal regelrecht zu Panik. Betroffene müssen lernen, sich selbst gedanklich zur Seite zu stehen, wenn sie in solche Englischsituationen geraten und sich selbst nicht noch zusätzlich zu sabotieren. Das Problem ist jedoch oft, dass diese Betroffenen in ihrer Kindheit gelernt haben, sich selbst so zu behandeln. Immer dann, wenn z.B. ein Elternteil mit einem Kind schimpft (was manchmal natürlich unvermeidlich ist), lernt das Kind, sich selbst zu beschimpfen. So funktioniert Erziehung: Das Kind lernt, sich selbst zu kontrollieren, indem es Gedanken (Glaubenssätze) errichtet, die für Scham, Schuld und Angst vor Bestrafung sorgen, wenn es gegen die Regeln verstösst. Aus diesem Grund leiden so viele Menschen an Perfektionismus, weil sie als Kind gelernt haben, dass sie geliebt werden, wenn sie "gut" sind. Und Englischangst ist im Grunde nichts anderes als übertriebener Perfektionismus und dadurch ist es Selbstsabotage.

Wie kommt man beim Englisch sprechen aus der Selbstsabotage heraus?

Man muss lernen, netter zu sich zu sein - und damit haben die meisten Menschen enorme Schwierigkeiten. Ein Therapeut kann helfen, die Beziehung zu sich selbst zu verbessern, indem er aufzeigt, wie "gemein" die eigenen Gedanken über sich selbst sind und dass man doch so eine Bestrafung gar nicht verdient. Traurigerweise glauben immer noch viele Menschen, dass sie keinen positiven Zuspruch verdienen, wenn sie Fehler beim Englisch sprechen machen. Hier ist es wichtig, zu erkennen, dass man kein Kind mehr ist und sich nicht mehr in der Schule befindet. Im Job dürfen beim Englisch sprechen Fehler gemacht werden! Warum auch nicht? Es kommt doch nicht auf perfektes Englisch an, sondern darauf, wie Sie das Werkzeug Englisch verwenden. Hier stutzen jedoch die meisten Menschen, weil sie Schwierigkeiten haben, sich zu erlauben, nicht perfekt zu sein. Sie haben Angst, von anderen negativ bewertet oder sogar für "dumm" erachtet zu werden. Die Angst, ungebildet oder dumm zu erscheinen, ist eine weit verbreitete Befürchtung bei Englischangst-Betroffenen. Das kommt zum Teil daher, dass der Fremdsprache Englisch eine zu hohe gesellschaftliche Bedeutung zugemessen wird ("Wer gebildet ist, spricht fließend Englisch"), zum anderen kommt es aber auch oft daher, dass Betroffene als Kind die Erfahrung gemacht haben, nicht ernst genommen oder sogar tatsächlich als dumm bezeichnet worden zu sein.

"Ich habe Angst, dumm zu wirken" ist eine weit verbreitete Überzeugung bei Englischangst-Betroffenen

Bei der Befürchtung, dumm zu wirken, handelt es sich wie oben beschrieben um eine Kinderangst. Als Erwachsener müssen Sie diese Befürchtung nicht haben, schon gar nicht, wenn Sie Fehler beim Sprechen einer Fremdsprache machen. Jeder Mensch, der eine Fremdsprache spricht, vollbringt eine enorme Leistung und das gilt es zu würdigen. Würdigen müssen Sie es aber in erster Linie selbst - und dabei kann Ihnen eine Psychotherapie sehr gut helfen.

Haben auch Sie starke Ängste beim Sprechen einer Fremdsprache?

Ich bin Natalie Marby und ich arbeite (auch online) therapeutisch mit Menschen, die starke Angst vor dem Englisch reden haben und diese Angst dauerhaft überwinden wollen. Wenn Sie dieses Thema interessiert, erfahren Sie hier mehr: Therapie bei Fremdsprachenphobie

Blog:

Ich schreibe regelmäßig über das Thema Englischangst/Englischphobie, hier finden Sie viele informative Artikel und Tipps: Blog "Angst vor dem Englisch reden"

Podcast:

Erfahren Sie mehr über das Thema Englisch Sprechangst und wie man diese überwinden kann: Podcast "Englisch frei sprechen" von Natalie Marby

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